Sonntag, 28. April 2013

Ecuadors Küste zum Zweiten


Mompiches linke Welle: im Vergleich zu Perus Traumwellen eher mau
Schweren Herzens haben wir Peru zum zweiten Mal verlassen und uns an Ecuadors Küste wieder auf Wellenjagd gemacht. Erster Stop Mompiche, die wohl beste Welle Ecuadors, wenn sie läuft (die Galapagosinseln ausgenommen). Lief so halb, die Stadt, einer der "Lonely-Planet-Geheimtipps", war furchtbar. Drogen, Backpacker und Selbstfindung ohne Ende. Obwohl wir am Tag zuvor 24 Stunden am Stück gereist waren: Nach einer Surfsession ging es weiter nach Canoa, einem kleinen Fischerdorf, das langsam von Touris entdeckt wird.


Dort gab es zwar auch Backpacker, Drogen ("Happy Cakes") und Selbstfindung und die Wellen waren auch eher mau. Aber wir haben ein wunderbares Hostal mit Meeresblick, toller Küche und netten Menschen gefunden. Besonders ein italienisches Paar war sehr sympathisch. Im Sommer vermieten sie Liegestühle an italienischen Stränden, im Winter sind sie auf Reisen. Wo? Am Meer. Man könnte meinen, sie hätten nach einem Sommer am Strand genug vom Meer. Aber nein, sie sind wie wir die Küste entlanggereist und haben Machu Picchu ausgelassen. Respekt!

Links oben haben wir fast eine Woche verbracht
Baden mit Pferd am Strand
Fischerboot
Garnelen gibt es direkt am Strand zu kaufen. Das ist gut, dann weiß man auch, dass sie aus dem Meer kommen. Nicht selbstverständlich hier, denn das Inland ist voller Shrimps-Farmen. Aber die Erzeugnisse werden eher nach Europa verschifft als in Ecuador gegessen.

Da freut sich Markus, dass die Vegetarier-Lotti die wurmartigen Garnelen wenig schützenswert findet.
Mit zwei kleinen Mädchen im Sonnenuntergang verabschieden wir uns vom Meer und ziehen in die Anden weiter. Die nächsten Wellen gibt es auf den Galapagosinseln...



Freitag, 19. April 2013

Todesangst in Nordperu

Unser Leben haben wir einem Tuck-Tuck-Fahrer zu verdanken. (Starke Einstiege sind wichtig.
Frisierte Rasenmäher: Transportmittel Nummer eins in Peru
Wir kamen spät in Talara an, einer muchtigen, gefährlichen Ölstadt im Norden Perus. Eigentlich hatten wir diese Gegend auslassen wollen. Lauter Gruselgeschichten von Überfaellen und Übergriffen auf Frauen hatten uns das Ziel wenig schmackhaft gemacht. Aber ein Surftrip nach Peru ist ohne den Norden unvollständig...
Talara, abends um acht: Minibusse nach Lobitos fahren nicht mehr. Nur noch Tuck-Tucks. Wir suchen uns einen netten jungen Fahrer, der nicht so drogenabhängig aussieht wie die meisten. Erste Zweifel kommen auf, als ein anderer Fahrer uns Glück für die Strecke wünscht und wir die Anweisung erhalten, unser bereits festgezurrtes Gepäck im Open-Air-Kofferraum gut festzuhalten.
Zum Glück musste für uns niemand auf einen Berg steigen und ein Ablass-Denkmal errichten. "Christus kommt bald", steht da.
Die Strecke nach Lobitos ist schwarz. Die Funzel des Tuck-Tucks reicht keine zwei Meter. Aus dem Gebüsch heraus wird uns plötzlich aufgeleuchtet. Das sei nur die Polizei. „Die Strecke nach Lobitos ist sicher, no se preocupen.“ Wir holpern weiter auf der Schotterpiste, als hinter uns ein Motorrad mit zwei behelmten Passagieren auftaucht. Und hinter uns bleibt. Eng. Zu eng. Unser bis eben noch gesprächiger Fahrer (Fußball) wird sehr schweigsam. Beunruhigt dreht er sich immer wieder um. Als das Motorrad uns partout nicht überholt, selbst als er vor dem nächsten Sicherheitsposten (warum gibt es übrigens so viele Sicherheitsposten, wenn alles so sicher ist?) betont langsam fährt, gibt unser Fahrer dem Tuck-Tuck die Sporen. Der Motor spuckt und röhrt. Jetzt bitte nicht schlappmachen. Wir fliegen durch Schlaglöcher, alles vibriert, keiner redet mehr, gehetzte Blicke.

Lobitos, eine weitere wunderbare linke Welle und endlich mit warmem Wasser. Allerdings auch mit 30 Brasilianern im Wasser. Lohnt sich dafür der Stress?
Am Berg: Das Motorrad bleibt dran. Unser Fahrer versperrt ihm den Weg, nur nicht überholen lassen. Endlich: die Lichter von Lobitos. Am Dorfeingang wieder ein Sicherheitsposten. „Väterchen, das Motorrad folgt uns seit einer halben Stunde.“ Väterchen ist nicht der schnellste. Die Motorradfahrer müssen zwar kurz die Helme lüpfen, fahren aber unbehelligt weiter. Wir auch. Unser Tuck-Tuck-Fahrer ist nun entspannt, wir krallen uns immer noch am Gepäck fest. Erst in der Unterkunft fühlen wir uns sicher. Es ist die teuerste unserer Reise. Egal.
In der Gegend wurde Hemingways "Der alte Mann und das Meer" verfilmt. Bei den Dreharbeiten zog Hemingway selbst einen 900 Pfund schweren Merlin aus dem Meer. Hier wurde auch der größte Merlin jemals gefangen. 1560 Pfund laut Wikipedia. Auf jeden Fall ist das Seafood in Lobitos lecker.
Auch hier gibt es Inka-Ruinen
Über Nacht macht die Todesangst dem Ärger über den teuren Preis Platz. Wir ziehen mal wieder um. Die Unterkunft heißt „RELÁJATE“ (Entspann dich!). Nicht nur wegen des Namens fühlen wir uns hier pudelwohl.
Zugang vom Strand mit Kolibris im Garten
Lotti und ihr neuer Freund
Es gibt einen jungen Hund, der uns überallhin begleitet, eine Katze, die aussieht wie Joschi, und Kolibris, die im Garten herumsirren. Außerdem: das beste Essen, das wir bisher in Peru bekommen haben. Sie können doch kochen, die Peruaner. Jipijapa.
Die Welle entlangheizen und sich dann rauskatapultieren lassen. Das macht Spaß. Dumm nur, wenn hinter der Welle ein schlecht gelaunter Brasilianer herumpaddelt. (Was macht der denn hier morgens um sechs?) Erstens ist dann die Landung nicht so weich, zweitens sind Brasilianer eher impulsiv. Zum Glück schafft es Markus, mit seiner beruhigenden Art die Fäuste des Brasilianers im Wasser verschwinden zu lassen und muss sich nur ein paar „porra“-Flüche (verdammte Scheiße) anhören.

Am Abend zuvor war die Landefläche noch frei. Am nächsten Morgen leider nicht mehr.
Außerhalb des Wassers ist wieder alles in Ordnung. „Hast mich fast umgebracht“, meint der Brasilianer nachher gluecklich laechelnd am Strand. Gute Wellen, gute Stimmung.
Wären die Fäuste nicht im Wasser verschwunden...mit diesem Rücken an seiner Seite braucht sich Markus eh keine Sorgen zu machen.
Jetzt aber endgültig: Adios Peru! Danke für alles.

Sonntag, 14. April 2013

Chicama otra vez

Wir sind wieder in Chicama. Keine Angst, Surfschwärmerei kommt zum Schluss.

Jipijapa, wir sind wieder in Chicama!
Jipijapa, die Welle läuft!
Wenn wir gerade nicht im Wasser herumpaddeln, sind wir am Kochen. Wir haben nämlich eine Unterkunft mit Küche gefunden und futtern Nudeln, bis sie uns zu den Ohren rauskommen. Oder Pfannekuchen. Oder Avocado-Salat mit Zitrone. Jedenfalls keinen Reis mit Bohnen. Was für ein Fest, als wir neulich Basilikum im Supermarkt entdeckt haben.

Vor Kurzem haben wir einen Ausflug nach Paiján gemacht. Das ist die nächste kleine Stadt mit großem Markt. Paiján genießt keinen guten Ruf. In Chicama mahnt man uns, bloß vorsichtig zu sein. Als ich Markus' beste Freundin, die lokale Kuchenverkäuferin, frage, warum Paiján denn so gefährlich sei, sagt sie: „Da bringen Dich die Leute auf der Straße um.“ 

"Christus lebt", verkuendet uns dieser Berg
Das können wir so nicht bestätigen. Aber ihre Worte begleiten uns auf der Busfahrt. Und wir verstehen endlich, warum die Berge zwischen Chicama und Paiján lauter religiöse Botschaften schmücken. „Christus lebt“ steht da überlebensgroß. Oder „Christus errettet“. Ablasshandel, denken wir uns. Nach jedem Mord klettert so ein Schurke aus Paiján auf den nächstgelegenen Wüstenhügel und setzt Christus ein Denkmal. Voilà, der Mord ist vergeben, der Ermordete im Himmel und das Leben (bzw. Sterben) geht weiter.

"Christus errettet", meint dieser Berg
Eine kleine Anekdote, die überhaupt gar nix mit Wellen oder Morden zu tun hat: Sie widmet sich Markus und seiner Kaffeesocke.
Der gute Mann ist in den letzten Jahren zum Kaffeetrinker geworden. Zu dumm, dass es hier keinen gibt. Arabica-Bohnen aus den Anden? Alle vom Fleck wech exportiert. Nach Deutschland. Zu Tchibo. Bestellt man in Peru oder Ecuador einen cafécito kriegt man eine Tasse heißen Wassers und eine (oft fast leere) Dose verkrusteten Nescafé-Pulvers vor die Nase geknallt. Hat man Glück, gibt’s einen Löffel zum Angeln dazu. Aber Markus ist anpassungsfähig. 

Jipijapa, der Kaffee schmeckt.
Als wir endlich eine Küche haben, kauft er sich Auflöse-Kaffee-Imitat zum Selbermachen. Beim ersten Aufguss stellt sich heraus: Er hat richtigen Kaffee erwischt, also gemahlene Bohnen. Dass das hier eine absolute Seltenheit ist, belegt das lokale Vokabular. Als „café“ oder „café normal“ bezeichnen die Peruaner und Ecuadorianer den Inhalt der Nescafé-Dosen. Für Bohnenkaffee gibt’s nur die umständliche Beschreibung „café pasado“.
Weil praktisch niemand „café pasado“ trinkt, gibt’s auch keine Filter. Aber halbsaubere Sportssocken. Markus entwickelt den Kaffeestrumpf. Was fuer ein Aroma. Jetzt trinke sogar ich mal ein Tässchen. Ohne zu einem Eichhörnchen auf Koks zu werden. Stundenlanges Surfen und Koffein heben sich wohl auf. 

Und jetzt noch ein paar Wellenbilder dieser Erfüllung aller Surfträume:

einfach nur Jipijapa
Wir genießen jede Minute auf dieser perfekten Welle.

Markus in Aktion
Lotte in Aktion
Die neuste Reisekolumne in der Badischen Zeitung widmet sich übrigens dem Zaubertrank der Inka

Sonntag, 7. April 2013

Pacasmayo - Shithole mit Charme

Wir sind wieder in Peru. Wieder bei einer ewigen linken Welle. Wieder in einer hässlichen Stadt in der Wüste. Nachdem vergangene Posts ein gewisses Unverständnis bei Nicht-Surfern hervorgerufen haben ("Die Wellenbilder sehen alle gleich aus", "Wird das nicht langweilig?"), nun ein wenig Kultur. Pacasmayo, von einem britischen Surfer liebevoll als "ugliest shithole I have ever seen" beschrieben, hat da einiges zu bieten.

Peru ist bekannt fuer seine Inka-Ruinen. Nach Machu Pichhu besichtigen wir nun etwas modernere Ruinen.

Die Forschung geht heute davon aus, dass die Anlage in ihrer Hochblüte bis zu zehn Familien beherbergen konnte.
Zur Architektur: Spanische Missionare gruendeten hier im 16. Jahrhundert eine kleine Gemeinde. In Pacasmayo stehen heute noch viele Häuser aus der Kolonialzeit.

restauriert
verfällt
Religion darf bei unserem kulturellen Streifzug nicht fehlen. Voilà: der Cristo Redentor Perus.

Je trostloser das Nest, desto mehr himmlischen Beistandes bedarf es, so scheint es.
Christus thront neben dem Friedhof ueber der Stadt. Zu seinen Füßen: Die Mole und Behausungen fuer die rund 25.000 Einwohner von Pacasmayo.

Christus und ein gottverlassenes Dorf
Jetzt noch ein bisschen lokales Handwerk: Pacasmayo ist bekannt für seine Fischindustrie und seinen Zement. Was von beidem hier hergestellt wird, ist schwer zu sagen.

Hier entsteht Gehexeltes. Entweder aus Fisch oder aus Steinen.
Lokale Fauna: Große schwarze Geier gibt es mehr als Möwen. Sofern sie gerade nicht den Kopf von Christus-dem-Erlöser-Double umkreisen, hacken sie angespuelten Seeloewen die Augen aus.

Die Fliege am Hinterkopf ist mit dem spitzen Schnabel nicht zu erreichen. Alles andere schon...
...etwa die Augen dieses armen toten Seeloewens.
Wann wird endlich mal ein Surfer angespuelt, dem ich die Augen aushacken kann?

Und jetzt Basta mit Kultur. Zurueck zu dem, was etwa 1 Prozent unserer Leser interessiert, zurueck zum Grund unseres Besuchs im lieblichen Pacasmayo. Wir beginnen mit etwas intellektuellem Input zum Thema:

Frei übersetzt: "Der Schlüssel zum Glück liegt in den Wellen" Danke Adler, du großer Philosoph, trifft auf jeden Fall für Pacasmayo zu.
Pacasmayo gilt als Chicamas böser großer Bruder. Immer etwas mehr Power, viele Steine, Seeigel und eine üble Strömung. Ansonsten: ein Traum