Montag, 26. August 2013

Guatemala - von Mayas und Bussen


Guatemala ist ein gefährliches Land. Geschichten von anderen Backpackern, die Waffenmündungen auf der Brust oder auch mal eine Kugel im Bein hatten, machen nicht gerade Lust auf eine Reise dorthin. Dass wir uns vor allem vor der eigenen Dummheit schützen müssen und nicht vor Schurken, lernen wir auf der Busfahrt. Anstatt mit einem Luxusbus von San Salvador nach Guatemala City durchzuheizen, nehmen wir lauter kleine einfache Busse. Damit sparen wir uns zwar den Umweg über Salvadors Hauptstadt. Aber wir brauchen 9 Stunden für 250 Kilometer. Außerdem sieht es zwischenzeitlich so aus, als würde Markus sein linkes Bein verlieren. Und das kam so: Die Busse sind wie immer gnadenlos überfüllt, es wird so lange gedrückt, bis alle drin sind. Wir landen im Fußraum der hinteren Tür. Bei der Abfahrt sind wir überzeugt davon, dass die Tür erstmal nicht benutzt wird. Zum einen, weil wir dort sitzen. Zum anderen, da es eh keinen Platz mehr gibt.

Peligro! Hier wird vor Krokodilen gewarnt. Im Hintergrund: ein Krokodil
Zwei Minuten später gibt es einen Schlag und Markus schreit. Wie am Spieß. Unter den wenigen funktionierenden Vakuumtüren Mittelamerikas hat die wohl stärkste (ein Exemplar aus rostigem Eisen) beim Oeffnen Markus linkes Knie eingequetscht. Es gibt natürlich keinen Notschalter. Der Horror hält eine ganze Weile an. Markus schreit, Lotte schreit und beschimpft den Busfahrer, die verflixte Türe gefälligst sofort zuzumachen, Markus ist sich sicher, dass sein Knie langsam zu Matsche wird. Mit vereinten Kräften gelingt es schließlich, das Bein zu befreien. Der Schock sitzt tief, stehen geht erstmal nicht. Da tönt es: EMPANADAS. Einer der zahllosen Latinobreitärsche zwängt sich in den Bus mit einem Korb frittierter Teigtaschen in der Hand. Blut tropft auf den Gang. Mehr Verkäufer quetschen sich durch den aus allen Nähten platzenden Bus. Das Knie schmerzt, ist aber weitgehend in Ordnung. Bienvenidos a Guatemala.


Von Guatemala City geht es mit dem Nachtbus neun Stunden weiter ins Landesinnere. Der Bus ist relativ unbequem, aber wir schlafen trotzdem etwas. Morgens um vier hält er auf einmal. Immerhin sind der Grund keine Banditen. Sondern ein Motorschaden. Wir werden im Halbschlaf aus dem Bus gescheucht und wanken mitten im Nirgendwo auf einen anderen Bus. Der ist natürlich schon voll. Das bedeutet 4 Stunden zusammengepfercht stehen, statt im Liegesessel zu schlafen. Wir beginnen die Maya und ihre Ruinen, für die wir diese Strapazen auf uns nehmen, zu hassen.

Tempel I steht seit ueber 2500 Jahren im Dschungel. Dafuer kann man auch mal vier Stunden im Bus stehen...

Tikal entschädigt uns. Die Maya-Stätte aller Maya-Stätten liegt mitten im Dschungel. Zwischen Riesenbäumen und Lianen ragen über 2000 Jahre alte Pyramiden in den Himmel. Und drumherum: Natur pur. Affen brüllen, Nasenbären schnüffeln auf Tempelstufen herum, Tukane und Papageien drehen ihre Kreise, Pfauen staksen im Gras umher. ein Tapir-Biber-Schweinchen-Verschnitt kreuzt unseren Weg, ein Ameisenbär sucht über uns nach Futter, in einem See lauert ein Krokodil.
Von Nasenbaeren sieht man meist nur die in die Hoehe gereckten Schwaenze, denn die Nase ist zum Bohren da und wird ueberall reingesteckt
Kleine Zusammenstellung der Tierwelt. Draufklicken, dann wird es groesser.
 Wir übernachten im Nationalpark und erklimmen am nächsten Morgen einen Maya-Tempel, um von dort aus den Sonnenaufgang zu sehen. Der fällt weniger spektakulär aus als gedacht. Regenzeit. Dafür haben wir ihn fast für uns alleine. Von den ganzen Dschungel-Tieren mal abgesehen.
Sonnenaufgang im Dschungel


Es wurde nach Bildern von uns verlangt..

Und in der neusten Reise-Kolumne geht es um Gott und (Straßen-)Verkehr in Panama

Dienstag, 13. August 2013

Mizata – Opi und Omi am Swellmagnet in El Salvadors Westen

Fischen mal sportlich

Wir werden älter. Nicht nur, weil die Sonne unsere Haut langsam in Leder verwandelt und verfrühte Falten gesteigerte Lebenserfahrung vortäuschen. Auch unsere naiv-jugendlichen Ideale sind unterwegs irgendwo in der Brandung versunken. Bei einer einheimischen Familie im Wellblechloch mit Plumpsklo, Insekteninferno und offener Feuerstelle wohnen? Das ist was für Jungspunde.

Oma Janz bei der Faltenpflege
Wie ihr im letzten Blogeintrag lesen konntet, erkaufen wir uns Luxus auch gerne mit Gehirnwäschen. Lotte hat zwar wacker versucht, diese Gehirnwäsche am Punta Mango in Richtung Magic Reborn Mike umzudrehen. Aber, da Markus Angst um den Preisnachlass hatte, ist Mike immer noch Magic und Reborn. 
Jetzt sind wir in Mizata, im Westen von El Salvador. Und wohnen in einem Resort. Jawoll, Resort.

Schleimiger Besucher mit Carrera-Brille...
...einladender Pool: alles da, was ein Resort so braucht.
Es heißt “The Last Resort” (der Papa-Roach-Song geht uns seitdem nicht aus dem Kopf). Wir sind die einzigen Gäste, was uns leider mit dem furchtbaren Besitzer und seinem Manager alleine lässt. Während Mike ein Kauz war, aber durchaus sympathisch, sind diese zwei fetten Maden aus Florida der Inbegriff des Bösen. Zentrum des Resorts ist ein zwei Meter breiter Flachbildfernseher, auf dem abwechselnd Fox News, Two and a Half Men und der Navy Channel laufen. Einmal kam kurz The Big Bang Theory, was zu hektischem Umschalten und ein paar Schimpfwörtern geführt hat. Abends kommen alle Drogis aus dem Ort, und es wird gemeinsam konsumiert und X-Box gespielt. Das Servicepersonal ist vorrangig zur Wanstpflege der zwei Maden engagiert (Eis zum Frühstück). Die zwanzig Meter zum Strand werden mit einem Gelände-Golf-Cart zurückgelegt.

An der Flussmündung bricht die Welle
Warum es uns hier trotzdem gefällt? Natürlich haben wir den Luxus mal wieder erstaunlich günstig bekommen. (Gut, wir wohnen auch im Schuppen des Resorts. Den Pool dürfen wir aber trotzdem benutzen.) Außerdem ist Mizata der Swellmagnet von El Salvador. Während sich Brasilianer und Amis in den Surfhochburgen weiter im Osten um kleine Wellen zoffen, surfen wir hier fetzige schulterhohe Wellen alleine.

Unser Schuppen
Mizatas rechter Pointbreak
Und: Das Straßenessen in Mizata ist so günstig und lecker wie sonst nirgends in El Salvador. Pupusas mit Käse und Bohnen verkaufen dicke Muddis mit Patschhänden für 25 Cent, und riesige Kokosnüsse kriegt man schon für 50 Cent.

Patsch Patsch Pupusas
Altes Eisen
Zudem hatten wir keine andere Wahl: Neben unserem Resort gibt es nur noch ein weiteres (ebenfalls amigeführtes, zwei Gäste) und sonst gar keine Unterkünfte und keine Touristen. Wir surfen dreimal am Tag. Ansonsten entspannen wir am Pool, beschäftigen das Personal mit einer Bestellung pro Morgen (Kaffee) und kühlen unsere auswärts besorgten Wassermelonen (weghören, Alfred) mit der Klimaanlage in unserem Schuppen.

Kunst im Vordergrund, im Hintergrund Mizatas Beachbreak

Dienstag, 6. August 2013

Punta Mango – mit Jesus in El Salvador

Gestatten: Punta Mango
Wir sind in El Salvador. Zum zweiten Mal auf dieser Reise, jetzt aber in einer anderen Gegend. Schon die Fahrt hierher war ein Erlebnis: Ein brasilianischer Surfer hatte seine Gras-Vorräte dermaßen schlampig versteckt, dass die korrupten Zollbeamten an der Grenze zwischen Honduras und Salvador ihre helle Freude mit ihm haben. Als unser Bus endlich weiterfahren kann, sind wir fast enttäuscht zu hören, dass sie dem Klevermax nur 100 Dollar abgeknüpft haben. Bei zwei Jahren Gefängnis laut Gesetz wäre da mehr drin gewesen, finden wir. Vor allem, als wir feststellen, dass er und seine elf (!) Freunde zu dem gleichen Surfort fahren wie wir.
Truthähne und surfende Brasilianer haben einiges gemeinsam.
Nach nur einer Nacht verlassen wir Las Flores. Wir ziehen weiter, in die absolute Einsamkeit, an das Ende einer schlaglöchrigen, staubigen Straße, an einen Ort, den man angeblich nur per Boot erreichen kann, in ein Dorf, das keines ist, weil dort nur fünf Häuser stehen: Punta Mango.

Vor rund zwanzig Jahren wurden hier Waffen für den Bürgerkrieg von Nicaragua aus an Land geschmuggelt und dann in ganz Salvador verteilt. Die wenigen Anwohner, die es in Punta Mango gab, wurden entweder umgebracht oder zogen weg.
Heute künden vom Bürgerkrieg nur noch leere Essensverpackungen mit dem Aufdruck der Armee. Punta Mango ist ein friedliches Nest. Es gibt einen Laden in Größe eines Kleiderschranks, der vor allem salvadorianische Süßigkeiten führt. Es gibt eine Pupusería, die nur zweimal die Woche für wenige Stunden aufhat und Maisfladen gefüllt mit Käse und Bohnen verkauft. Und das war's. Ein rostiger Pick-up bringt alle paar Tage Gemüse und Obst in die Region.

einziges "Restaurant" im Ort
Für Reisende gibt es nur zwei Unterkünfte. Die großartige Welle von Punta Mango lockt wenige, dafür besonders komische Vögel an.


Neben uns sind das Folgende:
Zwei vegetarische Neuseeländer mit 17 (!) Surfbrettern im Kofferraum. Das Auto wurde nach den Maßen der Bretter ausgesucht. Dass es technisch nicht ganz fit ist, spielt da eine Nebenrolle. Die zwei sind Surfpessimisten. Immer waren sie zur falschen Zeit am falschen Ort. Sind die Wellen groß, sind sie zu faul die extra dafür mitgebrachten Bretter aus dem Auto zu graben und im Wasser dann unzufrieden mit ihrer Surfboardwahl. Bei kleinen Wellen das gleiche Spiel. In Punta Mango reparieren sie zunächst zwei Tage lang ihr Bretterarsenal. Am dritten Tag gehts dann surfen, allerdings so spät, dass der Wind die Session ruiniert. Hals über Kopf werden die 17 Bretter gepackt und weiter geht es.

Die Neuseeländer sind weg, die Welle läuft perfekt
Der nächste Morgen bringt perfekte zwei Meter hohe Wellen ohne Wind – ein Traum. Wir sind uns nicht sicher ob wir Mitleid für die Kiwis empfinden sollen, oder ob die Wellen gut geworden sind, weil die zwei Pechvögel weg sind.
Der nächste Kauz heißt Mike und ist unser Vermieter. Magic Mike ist ein 57 Jahre alter Gringo-Expat und hat seit wenigen Monaten zwei schöne Ferienwohnungen am Punta Mango und noch Probleme diese mit Gästen zu füllen.

Magic Reborn Mike
Es sind zwei Luxusappartments mit Küche und eigenem Bad. Nach Nicaragua und der Unterkunft unserer ersten Nacht am Punta Mango (möglicher Drehort für das Dschungelcamp mit Kakerlaken, Fledermäusen, Miniskorpionen und Riesenspinnen) ein Traum. Natürlich spiegelt sich der Luxus im Preis wieder. 50 Dollar die Nacht ist bei uns nicht drin. Mike macht uns ein Angebot: 25 Dollar. Das ist zu schön, um wahr zu sein.

Unser Privatpfad zum Strand
Wir schlagen ein und drehen uns um, unser Gepäck zu holen. "Der Deal hat aber einen Haken!", ruft Mike. "Ihr schuldet mir...", er beginnt eine absurde Rechnung mit Ermäßigung und Minuten aufzustellen, "...40 Minuten eurer Zeit." Während der naive Markus an etwas Gartenarbeit denkt, riecht Lotte den Braten sofort: "Aber nicht Missions-Zeug?" "Ähem, doch, es wird um Gott gehen," ist die Antwort.
Der Luxus zieht uns mehr als der Missionar uns schreckt. Außerdem brauchen wir ja Stoff für die Kolumne. Den kriegen wir. Mike ist ein wiedergeborener Christ, für den die Tea-Party aus lauter idealistischen jungen Leuten besteht, die Amerika retten wollen. Mikes Hund Capitán mögen wir sehr.

Knuddel den Capitán
Als wir einmal in den nächst größeren Ort, Chirilagua, fahren und auf dem Marktplatz sitzen, kommt ein kleiner Junge zu Markus. "Sind Sie Jesus?", fragt er. "Nein, ich bin Markus aus Deutschland", antwortet Markus. "Ist das irgendwo im Himmel?", fragt der kleine Junge. "Nein, das ist auf der anderen Seite des Ozeans", sagt Markus. Enttäuscht zieht der kleine Junge von dannen.
Jesus würde diese Dose keine Probleme bereiten. Seinem Imitat schon.
Markus ist auch etwas traurig. Es hätte den Jungen offensichtlich gefreut, Jesus zu treffen. Außerdem lief der Tag bisher nicht so gut. Die volle Wahrheit hätte sich so angehört: "Nein, ich bin Markus aus Deutschland und in die Stadt gekommen, um in eine Dose zu kacken. Ich will rauszufinden, was für ein Tierchen in mir wohnt, dass ich so viel Durchfall habe. Aber, als ich in die Dose kacken sollte, kam nix. Ich bin ein Versager, mein Freund. Jesus hätte das bestimmt mit links erledigt."

Punta Mango on fire
Wir wohnen auf einer Anhöhe über der Welle. Eine Minute durchs Maisfeld getapert und zu unseren Füßen liegt der berühmte rechte Pointbreak Punta Mango, eine tubige, schnelle rechte Welle. Bei Sonnenaufgang kommen Bootladungen von Surfern aus Las Flores, um hier zu surfen. Das ist zwar ärgerlich. Aber wenn die Boote dann zwischen neun und zehn Uhr Früh wieder abziehen, haben wir die Welle für uns alleine. Und abends sowieso. Nachmittags lässt in der Regel der Wind nach, die Wellen ordnen sich und wir surfen den Spot dann manchmal nur zu fünft. Besondere Eigenheit von Punta Mango: die Nibbler-Fische. Sie attackieren gerne in Gruppen und knabbern/saugen an den Surfern rum. Und sie sind nicht leicht abzuschütteln.
Die Welle ist nicht ohne. An ihrem Geburtstag wird Lotte dermaßen durchgefetzt, dass sie eine Art Schleudertrauma davonträgt. Der Nacken ist steif, die Bewegungen sind roboterhaft und Markus nennt sie liebevoll Silvester Stallone. Einen Franzosen haut die Welle auf scharfe Steine. Surfdoktor Markus ist wieder im Einsatz.
Der einzige Weg, den Geburtstag zu retten: TORTE!


Was eher symbolisch gemeint war, stellt sich als Schokotorte vom Feinsten heraus. Carmelo, Vater einer siebenköpfigen Familie und Ex-Guerillakämpfer, organisiert unter Mithilfe diverser Cousins, Pferde und Autos einen Geburtstagskuchen aus einer französischen Bäckerei in San Miguel – zwei Stunden von unserer herrlichen Einöde entfernt. Markus, Lottes ewiger Liebe dank Schokorauschs sicher, revanchiert sich bei der Familie, indem er einem Sohn seinen langjährigen Weggefährten Günther vermacht. José ist einer von drei lokalen Surfern in Punta Mango. Sein Equipment bisher: Ein halbes Brett.

José, Günther und Markus
Das Neuste aus der Kolumnenfabrik beschäftigt sich mit unserem Segeltörn zu den San-Blas-Inseln