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Gestatten: Punta Mango |
Wir sind in El Salvador.
Zum zweiten Mal auf dieser Reise, jetzt aber in einer anderen Gegend.
Schon die Fahrt hierher war ein Erlebnis: Ein brasilianischer Surfer
hatte seine Gras-Vorräte dermaßen schlampig versteckt, dass die
korrupten Zollbeamten an der Grenze zwischen Honduras und Salvador
ihre helle Freude mit ihm haben. Als unser Bus endlich weiterfahren
kann, sind wir fast enttäuscht zu hören, dass sie dem Klevermax nur
100 Dollar abgeknüpft haben. Bei zwei Jahren Gefängnis laut Gesetz
wäre da mehr drin gewesen, finden wir. Vor allem, als wir
feststellen, dass er und seine elf (!) Freunde zu dem gleichen
Surfort fahren wie wir.
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Truthähne und surfende Brasilianer haben einiges gemeinsam. |
Nach nur einer Nacht
verlassen wir Las Flores. Wir
ziehen weiter, in die absolute Einsamkeit, an das Ende einer
schlaglöchrigen, staubigen Straße, an einen Ort, den man angeblich
nur per Boot erreichen kann, in ein Dorf, das keines ist, weil dort
nur fünf Häuser stehen: Punta Mango.
Vor rund zwanzig Jahren
wurden hier Waffen für den Bürgerkrieg von Nicaragua aus an Land
geschmuggelt und dann in ganz Salvador verteilt. Die wenigen
Anwohner, die es in Punta Mango gab, wurden entweder umgebracht oder
zogen weg.
Heute künden vom
Bürgerkrieg nur noch leere Essensverpackungen mit dem Aufdruck der
Armee. Punta Mango ist ein friedliches Nest. Es gibt einen Laden in
Größe eines Kleiderschranks, der vor allem salvadorianische
Süßigkeiten führt. Es gibt eine Pupusería, die nur zweimal die
Woche für wenige Stunden aufhat und Maisfladen gefüllt mit Käse
und Bohnen verkauft. Und das war's. Ein rostiger Pick-up bringt alle
paar Tage Gemüse und Obst in die Region.
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einziges "Restaurant" im Ort |
Für Reisende gibt es nur
zwei Unterkünfte. Die großartige Welle von Punta Mango lockt
wenige, dafür besonders komische Vögel an.
Neben uns sind das
Folgende:
Zwei vegetarische
Neuseeländer mit 17 (!) Surfbrettern im Kofferraum. Das Auto wurde
nach den Maßen der Bretter ausgesucht. Dass es technisch nicht ganz
fit ist, spielt da eine Nebenrolle. Die zwei sind Surfpessimisten.
Immer waren sie zur falschen Zeit am falschen Ort. Sind die Wellen
groß, sind sie zu faul die extra dafür mitgebrachten Bretter aus
dem Auto zu graben und im Wasser dann unzufrieden mit ihrer
Surfboardwahl. Bei kleinen Wellen das gleiche Spiel. In Punta Mango
reparieren sie zunächst zwei Tage lang ihr Bretterarsenal. Am
dritten Tag gehts dann surfen, allerdings so spät, dass der Wind die
Session ruiniert. Hals über Kopf werden die 17 Bretter gepackt und
weiter geht es.
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Die Neuseeländer sind weg, die Welle läuft perfekt |
Der nächste Morgen
bringt perfekte zwei Meter hohe Wellen ohne Wind – ein Traum. Wir
sind uns nicht sicher ob wir Mitleid für die Kiwis empfinden sollen,
oder ob die Wellen gut geworden sind, weil die zwei Pechvögel weg
sind.
Der nächste Kauz heißt
Mike und ist unser Vermieter. Magic Mike ist ein 57 Jahre alter
Gringo-Expat und hat seit wenigen Monaten zwei schöne
Ferienwohnungen am Punta Mango und noch Probleme diese mit Gästen zu
füllen.
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Magic Reborn Mike |
Es sind zwei Luxusappartments mit Küche und eigenem Bad.
Nach Nicaragua und der Unterkunft unserer ersten Nacht am Punta Mango
(möglicher Drehort für das Dschungelcamp mit Kakerlaken,
Fledermäusen, Miniskorpionen und Riesenspinnen) ein Traum. Natürlich
spiegelt sich der Luxus im Preis wieder. 50 Dollar die Nacht ist bei
uns nicht drin. Mike macht uns ein Angebot: 25 Dollar. Das ist zu
schön, um wahr zu sein.
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Unser Privatpfad zum Strand |
Wir schlagen ein und drehen uns um, unser
Gepäck zu holen. "Der Deal hat aber einen Haken!", ruft
Mike. "Ihr schuldet mir...", er beginnt eine absurde
Rechnung mit Ermäßigung und Minuten aufzustellen, "...40
Minuten eurer Zeit." Während der naive Markus an etwas
Gartenarbeit denkt, riecht Lotte den Braten sofort: "Aber nicht
Missions-Zeug?" "Ähem, doch, es wird um Gott gehen,"
ist die Antwort.
Der Luxus zieht uns mehr
als der Missionar uns schreckt. Außerdem brauchen wir ja Stoff für
die Kolumne. Den kriegen wir. Mike ist ein wiedergeborener Christ,
für den die Tea-Party aus lauter idealistischen jungen Leuten
besteht, die Amerika retten wollen. Mikes Hund Capitán mögen wir
sehr.
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Knuddel den Capitán |
Als wir einmal in den
nächst größeren Ort, Chirilagua, fahren und auf dem Marktplatz
sitzen, kommt ein kleiner Junge zu Markus. "Sind Sie Jesus?",
fragt er. "Nein, ich bin Markus aus Deutschland", antwortet
Markus. "Ist das irgendwo im Himmel?", fragt der kleine
Junge. "Nein, das ist auf der anderen Seite des Ozeans",
sagt Markus. Enttäuscht zieht der kleine Junge von dannen.
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Jesus würde diese Dose keine Probleme bereiten. Seinem Imitat schon. |
Markus
ist auch etwas traurig. Es hätte den Jungen offensichtlich gefreut,
Jesus zu treffen. Außerdem lief der Tag bisher nicht so gut. Die
volle Wahrheit hätte sich so angehört: "Nein, ich bin Markus
aus Deutschland und in die Stadt gekommen, um in eine Dose zu kacken.
Ich will rauszufinden, was für ein Tierchen in mir wohnt, dass ich
so viel Durchfall habe. Aber, als ich in die Dose kacken sollte, kam
nix. Ich bin ein Versager, mein Freund. Jesus hätte das bestimmt mit
links erledigt."
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Punta Mango on fire |
Wir wohnen auf einer
Anhöhe über der Welle. Eine Minute durchs Maisfeld getapert und zu
unseren Füßen liegt der berühmte rechte Pointbreak Punta Mango,
eine tubige, schnelle rechte Welle. Bei Sonnenaufgang kommen
Bootladungen von Surfern aus Las Flores, um hier zu surfen. Das ist
zwar ärgerlich. Aber wenn die Boote dann zwischen neun und zehn Uhr
Früh wieder abziehen, haben wir die Welle für uns alleine. Und
abends sowieso. Nachmittags lässt in der Regel der Wind nach, die
Wellen ordnen sich und wir surfen den Spot dann manchmal nur zu
fünft. Besondere Eigenheit von Punta Mango: die Nibbler-Fische. Sie
attackieren gerne in Gruppen und knabbern/saugen an den Surfern rum.
Und sie sind nicht leicht abzuschütteln.
Die Welle ist nicht ohne.
An ihrem Geburtstag wird Lotte dermaßen durchgefetzt, dass sie eine
Art Schleudertrauma davonträgt. Der Nacken ist steif, die Bewegungen
sind roboterhaft und Markus nennt sie liebevoll Silvester Stallone.
Einen Franzosen haut die Welle auf scharfe Steine. Surfdoktor Markus
ist wieder im Einsatz.
Der einzige Weg, den Geburtstag zu retten: TORTE!
Was eher symbolisch gemeint war, stellt sich als Schokotorte vom Feinsten heraus. Carmelo, Vater einer siebenköpfigen Familie und Ex-Guerillakämpfer, organisiert unter Mithilfe diverser Cousins, Pferde und Autos einen Geburtstagskuchen aus einer französischen Bäckerei in San Miguel – zwei Stunden von unserer herrlichen Einöde entfernt. Markus, Lottes ewiger Liebe dank Schokorauschs sicher, revanchiert sich bei der Familie, indem er einem Sohn seinen langjährigen Weggefährten Günther vermacht. José ist einer von drei lokalen Surfern in Punta Mango. Sein Equipment bisher: Ein halbes Brett.
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José, Günther und Markus |
Das Neuste aus der Kolumnenfabrik beschäftigt sich mit unserem Segeltörn zu den
San-Blas-Inseln.