Dienstag, 6. August 2013

Punta Mango – mit Jesus in El Salvador

Gestatten: Punta Mango
Wir sind in El Salvador. Zum zweiten Mal auf dieser Reise, jetzt aber in einer anderen Gegend. Schon die Fahrt hierher war ein Erlebnis: Ein brasilianischer Surfer hatte seine Gras-Vorräte dermaßen schlampig versteckt, dass die korrupten Zollbeamten an der Grenze zwischen Honduras und Salvador ihre helle Freude mit ihm haben. Als unser Bus endlich weiterfahren kann, sind wir fast enttäuscht zu hören, dass sie dem Klevermax nur 100 Dollar abgeknüpft haben. Bei zwei Jahren Gefängnis laut Gesetz wäre da mehr drin gewesen, finden wir. Vor allem, als wir feststellen, dass er und seine elf (!) Freunde zu dem gleichen Surfort fahren wie wir.
Truthähne und surfende Brasilianer haben einiges gemeinsam.
Nach nur einer Nacht verlassen wir Las Flores. Wir ziehen weiter, in die absolute Einsamkeit, an das Ende einer schlaglöchrigen, staubigen Straße, an einen Ort, den man angeblich nur per Boot erreichen kann, in ein Dorf, das keines ist, weil dort nur fünf Häuser stehen: Punta Mango.

Vor rund zwanzig Jahren wurden hier Waffen für den Bürgerkrieg von Nicaragua aus an Land geschmuggelt und dann in ganz Salvador verteilt. Die wenigen Anwohner, die es in Punta Mango gab, wurden entweder umgebracht oder zogen weg.
Heute künden vom Bürgerkrieg nur noch leere Essensverpackungen mit dem Aufdruck der Armee. Punta Mango ist ein friedliches Nest. Es gibt einen Laden in Größe eines Kleiderschranks, der vor allem salvadorianische Süßigkeiten führt. Es gibt eine Pupusería, die nur zweimal die Woche für wenige Stunden aufhat und Maisfladen gefüllt mit Käse und Bohnen verkauft. Und das war's. Ein rostiger Pick-up bringt alle paar Tage Gemüse und Obst in die Region.

einziges "Restaurant" im Ort
Für Reisende gibt es nur zwei Unterkünfte. Die großartige Welle von Punta Mango lockt wenige, dafür besonders komische Vögel an.


Neben uns sind das Folgende:
Zwei vegetarische Neuseeländer mit 17 (!) Surfbrettern im Kofferraum. Das Auto wurde nach den Maßen der Bretter ausgesucht. Dass es technisch nicht ganz fit ist, spielt da eine Nebenrolle. Die zwei sind Surfpessimisten. Immer waren sie zur falschen Zeit am falschen Ort. Sind die Wellen groß, sind sie zu faul die extra dafür mitgebrachten Bretter aus dem Auto zu graben und im Wasser dann unzufrieden mit ihrer Surfboardwahl. Bei kleinen Wellen das gleiche Spiel. In Punta Mango reparieren sie zunächst zwei Tage lang ihr Bretterarsenal. Am dritten Tag gehts dann surfen, allerdings so spät, dass der Wind die Session ruiniert. Hals über Kopf werden die 17 Bretter gepackt und weiter geht es.

Die Neuseeländer sind weg, die Welle läuft perfekt
Der nächste Morgen bringt perfekte zwei Meter hohe Wellen ohne Wind – ein Traum. Wir sind uns nicht sicher ob wir Mitleid für die Kiwis empfinden sollen, oder ob die Wellen gut geworden sind, weil die zwei Pechvögel weg sind.
Der nächste Kauz heißt Mike und ist unser Vermieter. Magic Mike ist ein 57 Jahre alter Gringo-Expat und hat seit wenigen Monaten zwei schöne Ferienwohnungen am Punta Mango und noch Probleme diese mit Gästen zu füllen.

Magic Reborn Mike
Es sind zwei Luxusappartments mit Küche und eigenem Bad. Nach Nicaragua und der Unterkunft unserer ersten Nacht am Punta Mango (möglicher Drehort für das Dschungelcamp mit Kakerlaken, Fledermäusen, Miniskorpionen und Riesenspinnen) ein Traum. Natürlich spiegelt sich der Luxus im Preis wieder. 50 Dollar die Nacht ist bei uns nicht drin. Mike macht uns ein Angebot: 25 Dollar. Das ist zu schön, um wahr zu sein.

Unser Privatpfad zum Strand
Wir schlagen ein und drehen uns um, unser Gepäck zu holen. "Der Deal hat aber einen Haken!", ruft Mike. "Ihr schuldet mir...", er beginnt eine absurde Rechnung mit Ermäßigung und Minuten aufzustellen, "...40 Minuten eurer Zeit." Während der naive Markus an etwas Gartenarbeit denkt, riecht Lotte den Braten sofort: "Aber nicht Missions-Zeug?" "Ähem, doch, es wird um Gott gehen," ist die Antwort.
Der Luxus zieht uns mehr als der Missionar uns schreckt. Außerdem brauchen wir ja Stoff für die Kolumne. Den kriegen wir. Mike ist ein wiedergeborener Christ, für den die Tea-Party aus lauter idealistischen jungen Leuten besteht, die Amerika retten wollen. Mikes Hund Capitán mögen wir sehr.

Knuddel den Capitán
Als wir einmal in den nächst größeren Ort, Chirilagua, fahren und auf dem Marktplatz sitzen, kommt ein kleiner Junge zu Markus. "Sind Sie Jesus?", fragt er. "Nein, ich bin Markus aus Deutschland", antwortet Markus. "Ist das irgendwo im Himmel?", fragt der kleine Junge. "Nein, das ist auf der anderen Seite des Ozeans", sagt Markus. Enttäuscht zieht der kleine Junge von dannen.
Jesus würde diese Dose keine Probleme bereiten. Seinem Imitat schon.
Markus ist auch etwas traurig. Es hätte den Jungen offensichtlich gefreut, Jesus zu treffen. Außerdem lief der Tag bisher nicht so gut. Die volle Wahrheit hätte sich so angehört: "Nein, ich bin Markus aus Deutschland und in die Stadt gekommen, um in eine Dose zu kacken. Ich will rauszufinden, was für ein Tierchen in mir wohnt, dass ich so viel Durchfall habe. Aber, als ich in die Dose kacken sollte, kam nix. Ich bin ein Versager, mein Freund. Jesus hätte das bestimmt mit links erledigt."

Punta Mango on fire
Wir wohnen auf einer Anhöhe über der Welle. Eine Minute durchs Maisfeld getapert und zu unseren Füßen liegt der berühmte rechte Pointbreak Punta Mango, eine tubige, schnelle rechte Welle. Bei Sonnenaufgang kommen Bootladungen von Surfern aus Las Flores, um hier zu surfen. Das ist zwar ärgerlich. Aber wenn die Boote dann zwischen neun und zehn Uhr Früh wieder abziehen, haben wir die Welle für uns alleine. Und abends sowieso. Nachmittags lässt in der Regel der Wind nach, die Wellen ordnen sich und wir surfen den Spot dann manchmal nur zu fünft. Besondere Eigenheit von Punta Mango: die Nibbler-Fische. Sie attackieren gerne in Gruppen und knabbern/saugen an den Surfern rum. Und sie sind nicht leicht abzuschütteln.
Die Welle ist nicht ohne. An ihrem Geburtstag wird Lotte dermaßen durchgefetzt, dass sie eine Art Schleudertrauma davonträgt. Der Nacken ist steif, die Bewegungen sind roboterhaft und Markus nennt sie liebevoll Silvester Stallone. Einen Franzosen haut die Welle auf scharfe Steine. Surfdoktor Markus ist wieder im Einsatz.
Der einzige Weg, den Geburtstag zu retten: TORTE!


Was eher symbolisch gemeint war, stellt sich als Schokotorte vom Feinsten heraus. Carmelo, Vater einer siebenköpfigen Familie und Ex-Guerillakämpfer, organisiert unter Mithilfe diverser Cousins, Pferde und Autos einen Geburtstagskuchen aus einer französischen Bäckerei in San Miguel – zwei Stunden von unserer herrlichen Einöde entfernt. Markus, Lottes ewiger Liebe dank Schokorauschs sicher, revanchiert sich bei der Familie, indem er einem Sohn seinen langjährigen Weggefährten Günther vermacht. José ist einer von drei lokalen Surfern in Punta Mango. Sein Equipment bisher: Ein halbes Brett.

José, Günther und Markus
Das Neuste aus der Kolumnenfabrik beschäftigt sich mit unserem Segeltörn zu den San-Blas-Inseln

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen