Sonntag, 5. Mai 2013

Anden-Abenteuer


Ich bin ein wandelnder Pullover
Gäbe es einen Soundtrack zu unserem Ausflug in die Anden, dann wäre es „Tiere um uns“ von Blumfeld. Statt atemlos auf den ständig in Wolken gehüllten Cotopaxi zu klettern, mit 5897 Metern Ecuadors zweithöchster Vulkan, haben wir uns entschieden, eine Mehrtageswanderung von Tigua, 100 Kilometer südlich von Quito, über Quilotoa nach Chugchilán zu machen. Das kostet keine 200 Dollar pro Nase, erfordert keinen Guide und kein Eiskletter-Equipment. Also: viel mehr unser Ding.

Erst ein halbes Jahr alt und schon größer als ein Kalb
Erste Station unseres Anden-Trips war eine Farm in Tigua auf 3450 Metern Höhe. Dort gab es einen ponygroßen Bernhardiner, freiherumlaufende Alpacas und Lamas, zwei Tage alte Kälbchen und ein Eselbaby: Lotte war im Himmel.

Zwei Indio-Jungs haben ständig versucht, das Eselbaby von seiner Mutter fortzulocken, um an ihre Milch zu kommen.
Stadtkind zeigt Dorfjunge, wie schön es ist, ein Kälbchen mit rauer Zunge an der Hand nuckeln zu lassen.
Markus auch. Aber bei ihm lag das vor allem am Essen. Es war das beste unserer Reise: Aus der Milch, die kleine Indio-Mädchen großen Kühen per Hand entlocken, wird auf der Farm Joghurt, Butter und Käse hergestellt. Herrlich. Rare Güter in unserer Reise-Diät. Der Flexitarier Markus isst den besten Lammbraten seines Lebens und abends lesen wir uns neben dem gusseisernen Ofen laut vor, in der Hand die beste heiße Schokolade der Welt.

Kinderarbeit I
Kinderarbeit II
Zum Abendessen gab's canelazo, ein warmes Zimt-Maracuja-Alkohol-Gemisch. Leeecker.
Die Farm, die Tiere, die Anden, den Ofen, all das hatten wir für uns allein. Da scheint auch die Kinderarbeit um uns herum fast schon romantisch.

Unterwegs von Tigua nach Quilotoa
Nächster Stopp: Quilotoa (3800 Meter). Dass wir in diesem Nest am Rande eines atemberbaubenden Kratersees die einzigen Touris sind, finden wir ziemlich schnell nicht so toll. Die gesamte indigene Einwohnerschaft der kleinen Gemeinde hat sich darauf verlegt, kitschige Andenbilder zu malen, Andenmützen zu stricken und Andenmasken zu schnitzen. Da die Touris wegen der spektakulären Landschaft eh kommen, scheint Qualität sowohl in der Kunst als auch bei den Unterkünften keine Rolle zu spielen.

Der Herr im Hause unseres "Hostals" heißt ironischerweise Miguel Angelo und malt furchtbare Andenkust in Massenproduktion. Seine Frau serviert uns das wiederlichste Essen der Reise und erklärt, sie wolle noch mehr Zimmer anbauen. Die vorhandenen erstmal fertig zu stellen, steht nicht zur Diskussion. Wir haben das ungute Gefühl, dass die zwei auf dem völlig falschen Weg sind. Wir akzeptieren nach Terpentin riechende Laken, eine grandiose Fehlkonstruktion des Aushängeschildes, das nachts einen windigen Beat schlägt, Essen, das selbst eine Mülltonne ekeln würde, und finden in unserem feuchtkalten Bett mit Kuhle in der Mitte nur eine halbe Stunde Schlaf. Kritik äußern: unmöglich. Dass Miguel Angelo für einen Flug auf die Galapagos-Inseln spart und glaubt, dort seine Kunst gewinnbringend verkaufen zu können, macht uns traurig.

Der Kratersee von Quilotoa
Die Rundwanderung entlang des Kraters ist wunderschön: unten der schillernd grünblaue See, ringsherum schneebedeckte Vulkane, Ruhe und Einsamkeit. Pferde, Schafe und Schmetterlinge sind die einzigen Lebewesen, die wir treffen.

Blaue Blumen, grüner See
Schneebedeckte Vulkane im Hintergrund
Schneebedeckte Vulkane im Vordergrund
Bussi im Blumenmeer - auch wir können Andenkitsch
Am nächsten Morgen flüchten wir nach Chugchilán. Die Wanderung ist wunderschön, das Hostal ("Cloud Forest"), in dem wir ankommen, ebenso. Außerdem treffen wir ein großartiges dänisches Paar, mit dem wir seitdem unterwegs sind. So ein Pferderitt schweißt wohl zusammen: In Chugchilán schwingen wir uns am nächsten Tag nämlich auf Pferde und reiten zu viert fünf Stunden lang durch die Anden-Landschaft.

Wikinger zu Pferde
Lotte und Laura zu Pferde
Markus' Pferd verdient sich ziemlich schnell den Namen „angry horse“, weil es immer nach den anderen schnappt. Wenn es nicht gerade am Pupsen ist. Lotte reitet eine schwangere Stute namens Maria, die es sich trotz Kugelbauch nicht nehmen lassen will, immer die erste zu sein. Das Pferd von Laura, der Dänin, hat eine Motorrad-Phobie. Und Mark, der Däne, will eigentlich nur Schritt reiten. Sein Pferd aber nicht. Es setzt sich durch. Nach gemeinsamer Todesangst beim Galopp und gemeinsamen Po-Schmerzen am nächsten Tag geht es zu viert weiter nach Quito.

In Style zu Pferde: Schwarzwald-Cowboy
Unser Ausritt führt uns an einer Käserei vorbei. Der Käse schmeckt klasse. Seltsam. Eine Schweizer NGO steckt dahinter. Ach so.
Obwohl das Hostal, in dem wir unsere Surfbretter und großen Rucksäcke untergestellt haben, voll ist, findet der nette argentinische Besitzer Unterschlupf für uns. Die Dänen kriegen ein Zelt im Garten aufgestellt, wir dürfen im Zimmer des Sohnes übernachten. Jetzt genießen wir gerade ein bisschen die Infra-Struktur einer großen Stadt mit anständigen Supermärkten, Kino und internationaler Küche. Wir können es aber kaum erwarten, wieder am Meer zu sein. Galapagos, wir kommen.

Wer bis hierher durchgehalten hat, bekommt noch einen Bonus: Peruanisches Universalspezifikum

Mit einer Skigondel ohne Ski auf 4100 Meter und auf die Dächer von Quito heruntergeguckt

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